Bunte Verpackungen mit Sportlern, die Kraft ausstrahlen, Versprechen von Vitaminen und Mineralstoffen sowie verlockende Rabattaufkleber – das Cerealien-Regal im Supermarkt ist ein Paradebeispiel dafür, wie Werbung und Produktpräsentation die Wahrnehmung von Verbrauchern gezielt beeinflussen können. Besonders problematisch wird es, wenn Rabattaktionen suggerieren, man würde bei einem „gesunden“ Produkt sparen, während die Realität eine ganz andere Geschichte erzählt.
Die Psychologie hinter Sonderangeboten bei Frühstücksflocken
Rabattaktionen erzeugen beim Einkauf ein spezifisches Verhaltensmuster. Der vermeintliche Preisvorteil lenkt die Aufmerksamkeit weg von der eigentlichen Produktqualität. Forschungen der University of Oxford um die Ernährungswissenschaftlerin Carmen Piernas zeigen allerdings, dass diese Effekte oft nur kurzfristig wirken. Während gezielte Sonderangebote für saisonales Obst und Gemüse vorübergehend höhere Absätze brachten, erwiesen sich strukturelle Veränderungen im Angebot als nachhaltiger.
Bei Cerealien kommt erschwerend hinzu, dass viele dieser Produkte mit Gesundheitsversprechen werben: „Mit Vollkorn“, „Vitaminreich“, „Ballaststoffquelle“ oder „Fitness“ im Produktnamen. Wenn solche Artikel dann noch im Angebot sind, entsteht beim Käufer das Gefühl, gleich doppelt zu profitieren – durch einen günstigen Preis und durch ein vermeintlich wertvolles Lebensmittel für die Gesundheit.
Diese Kombination ist kein Zufall. Hersteller wissen genau, dass Verbraucher bei Sonderangeboten weniger kritisch auf die Zutatenliste schauen. Der wahrgenommene Mehrwert durch den Rabatt überlagert die rationale Produktbewertung. Genau hier liegt die Problematik: Während der Blick auf den reduzierten Preis fällt, bleibt der tatsächliche Zuckergehalt oft unbeachtet.
Zuckerfallen mit gesundem Image
Ein Blick auf die Nährwerttabelle vieler Frühstückscerealien offenbart eine ernüchternde Wahrheit: Produkte, die mit Sport, Fitness oder natürlichen Zutaten beworben werden, enthalten nicht selten 20 bis 30 Gramm Zucker pro 100 Gramm. Das entspricht etwa sechs bis acht Teelöffeln Zucker. Bei einer üblichen Portionsgröße von 40 bis 50 Gramm nimmt man bereits zum Frühstück erhebliche Zuckermengen zu sich – und das bei einem Produkt, das als gesunder Start in den Tag vermarktet wird.
Besonders tückisch sind dabei verschiedene Zuckerarten, die in der Zutatenliste auftauchen. Neben dem offensichtlichen „Zucker“ finden sich Begriffe wie Glukosesirup, Fruktose, Maltodextrin, Honig, Dextrose oder Dicksäfte. Diese werden teilweise einzeln aufgeführt, wodurch sie in der Zutatenliste – die nach Gewicht sortiert ist – weiter hinten erscheinen. Würde man alle Zuckerformen zusammenrechnen, stünden sie oft an erster oder zweiter Stelle. Diese Aufsplittung ist rechtlich zulässig, wird jedoch von Verbraucherschutzorganisationen seit Jahren als verbraucherunfreundlich kritisiert.
Gesundheitsbezogene Angaben als Ablenkungsmanöver
Die Verpackungsgestaltung arbeitet mit geschickten Ablenkungsstrategien. Während auf der Vorderseite große Aufdrucke auf zugesetzte Vitamine, Vollkornanteil oder Ballaststoffe hinweisen, findet sich die Nährwerttabelle mit dem tatsächlichen Zuckergehalt auf der Rückseite in deutlich kleinerer Schrift. Diese selektive Informationsdarstellung ist rechtlich zulässig, führt aber zu einer verzerrten Wahrnehmung.
Hinzu kommt die Portionsangabe: Viele Hersteller beziehen ihre Nährwertangaben auf 30 Gramm – eine Menge, die deutlich unter dem liegt, was tatsächlich gegessen wird. So erscheint der Zuckergehalt pro Portion geringer, als er in der Realität ist. Bei Kindern, die häufig größere Portionen nehmen, potenziert sich dieser Effekt noch. Studien zeigen außerdem, dass Kinder im Vorschulalter tatsächlich mehr Frühstücksflocken essen, wenn sie im Fernsehen Werbung dafür sehen – ein Beleg für die Wirkmächtigkeit von Marketingpsychologie bei dieser besonders empfänglichen Zielgruppe.
Rabattaktionen als Verkaufsstrategie
Die niedrigen Herstellungskosten vieler Cerealien – die Hauptzutaten Getreide, Zucker und Aromen sind vergleichsweise günstig – ermöglichen großzügige Rabatte, ohne dass die Gewinnmargen stark leiden. Selbst bei einem Preisnachlass von 30 oder 40 Prozent bleibt ausreichend Spielraum für Gewinn. Gleichzeitig suggeriert der Rabatt einen hohen Wert des Produkts, der durch den ursprünglichen Preis definiert wird.

Sonderangebote sollen Verbraucher zudem an bestimmte Produkte binden – wer einmal gekauft hat, greift beim nächsten Einkauf eher wieder zu. Die Oxforder Forschungen zeigen allerdings auch: Nachhaltigere Ergebnisse erzielte eine verbesserte Angebotsstruktur. Als fettarme Pommes im Supermarktangebot ergänzt wurden, ging der Verkauf regulärer Pommes um 23 Prozent zurück. Bei einer größeren Bandbreite zuckerreduzierter Kekse stieg der Verkauf kalorienarmer Optionen um 18 Prozent, während normale Kekse weniger gekauft wurden.
Was Verbraucher tun können
Der erste Schritt zur informierten Kaufentscheidung ist das bewusste Ignorieren von Rabattaktionen als primäres Kaufkriterium. Stattdessen sollte der Blick direkt auf die Nährwerttabelle wandern. Dabei gilt als Orientierung: Mehr als 15 Gramm Zucker pro 100 Gramm ist bei Cerealien bereits bedenklich, mehr als 20 Gramm Zucker definitiv zu viel für ein Produkt, das als gesundes Frühstück dienen soll.
Die Zutatenliste richtig lesen
Die Zutatenliste verrät mehr als die Werbeaussagen auf der Vorderseite. Achten Sie darauf, an welcher Position Zucker und zuckerähnliche Stoffe auftauchen. Je weiter vorne, desto höher der Anteil. Zählen Sie alle Zuckerformen zusammen – oft sind es drei, vier oder sogar fünf verschiedene Bezeichnungen. Diese Aufsplittung verschleiert den tatsächlichen Gesamtzuckergehalt.
Vollkorn-Auslobungen sollten kritisch hinterfragt werden. Ein Produkt kann durchaus Vollkorngetreide enthalten und trotzdem eine Zuckerbombe sein. Beides schließt sich nicht aus. Die Frage ist immer: Wie viel Vollkorn ist tatsächlich enthalten, und wie steht dies im Verhältnis zu Zucker und anderen weniger wünschenswerten Zutaten?
Alternative Frühstücksoptionen im Blick behalten
Ungezuckerte Haferflocken, Müsli ohne Zuckerzusatz oder einfache Getreideflocken bieten eine echte Alternative. Diese sind oft nicht im Angebot, kosten aber im Grundpreis häufig weniger als die beworbenen Cerealien – selbst mit Rabatt. Der vermeintliche Preisvorteil einer Aktion relativiert sich, wenn man qualitativ hochwertigere Produkte zum Vergleich heranzieht.
Wer auf Süße nicht verzichten möchte, kann diese selbst dosieren: Frisches Obst, eine kleine Menge Honig oder Trockenfrüchte bieten Geschmack, ohne die Kontrolle über die Zuckermenge zu verlieren. Zudem liefern sie zusätzliche Nährstoffe, die in hochverarbeiteten Cerealien fehlen oder nur künstlich zugesetzt wurden.
Strukturelle Veränderungen statt Einzelverantwortung
So wichtig informierte Kaufentscheidungen sind – die Hauptverantwortung für transparente Produktinformationen liegt bei den Herstellern und dem Gesetzgeber. Aktuell ist die Kennzeichnung zwar rechtlich korrekt, aber nicht verbraucherfreundlich. Eine deutlichere Hervorhebung des Zuckergehalts, einheitliche Portionsangaben und Einschränkungen bei gesundheitsbezogenen Werbeaussagen für stark zuckerhaltige Produkte wären wichtige Schritte.
Verbraucherschutzorganisationen fordern seit Jahren eine Nährwert-Ampel auf der Produktvorderseite, die auf einen Blick zeigt, wie gesund oder ungesund ein Lebensmittel tatsächlich ist. Die Forschung zeigt: Strukturelle Veränderungen im Angebot wirken nachhaltiger als bloße Preisaktionen. Solange dies nicht verpflichtend umgesetzt wird, bleibt die Verantwortung bei jedem Einzelnen, die Marketingstrategien zu durchschauen und bewusste Entscheidungen zu treffen – unabhängig davon, wie verlockend das Rabattschild auch sein mag.
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