Wer seine Katze schon einmal zum Tierarzt oder in den Urlaub mitnehmen musste, kennt das Szenario: Schon beim Anblick der Transportbox verschwindet der sonst so zutrauliche Stubentiger unter dem Sofa. Während der Fahrt folgen herzzerreißendes Miauen, Hecheln oder im schlimmsten Fall Erbrechen und Unsauberkeit. Diese Reaktionen sind keine Marotten, sondern ernsthafte Stresssymptome, die das Wohlbefinden unserer sensiblen Samtpfoten massiv beeinträchtigen. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen Stresssymptome wie Verstecken, vermehrtes Miauen, Hecheln, Erbrechen und Unsauberkeit als typische Reaktionen bei Katzen während des Transports.
Warum Reisestress bei Katzen so heftig ausfällt
Katzen sind territoriale Gewohnheitstiere, deren Sicherheitsgefühl eng mit ihrer vertrauten Umgebung verknüpft ist. Anders als Hunde definieren Katzen ihr Revier über Duftmarken, bekannte Verstecke und etablierte Routinen. Eine Autofahrt bedeutet für sie den kompletten Kontrollverlust: fremde Geräusche, ungewohnte Bewegungen, unbekannte Gerüche – all das aktiviert ihre Stressachse im Gehirn und löst eine Kaskade von körperlichen Reaktionen aus.
Die Folgen zeigen sich nicht nur in Verhaltensänderungen. Stress führt zur Ausschüttung von Stresshormonen, was wiederum den Magen-Darm-Trakt beeinflusst. Die Verdauung wird verlangsamt oder beschleunigt, die Übelkeit verstärkt sich, und der Kreislauf aus Angst und körperlichem Unwohlsein setzt sich fort. Reisekrankheit bei Katzen äußert sich durch Unruhe, verstärkte Speichelbildung, Würgen und Erbrechen während des Transports.
Die richtige Fütterung vor der Reise: Weniger ist mehr
Viele Katzenhalter machen den Fehler, ihre Tiere direkt vor der Abfahrt noch einmal ausgiebig zu füttern – aus Sorge, das Tier könnte hungern. Doch ein voller Magen verschlimmert die reisebedingte Übelkeit erheblich. Eine leichtere Fütterung einige Stunden vor Reiseantritt kann helfen, das Risiko für Übelkeit und Erbrechen zu reduzieren. Bei besonders empfindlichen Katzen oder längeren Fahrten kann es sinnvoll sein, bereits am Vorabend auf leicht verdauliche Kost umzustellen.
Verzichten Sie auf fettreiche Leckerlis oder schwer verdauliches Futter. Gekochtes Hühnerfleisch ohne Haut und Gewürze eignet sich hervorragend, ebenso wie magerer Fisch wie Seelachs oder Kabeljau. Hochwertiges Nassfutter mit hohem Fleischanteil und geringem Fettgehalt oder spezielle Schonkost aus der Tierarztpraxis sind ebenfalls gute Optionen. Diese Nahrungsmittel belasten den Verdauungstrakt weniger und können das Risiko für Übelkeit verringern.
Hydration: Der unterschätzte Faktor
Stress führt häufig dazu, dass Katzen weniger trinken, was wiederum Kreislaufprobleme und Unwohlsein verstärken kann. Bieten Sie Ihrer Katze bis etwa eine Stunde vor Abfahrt Wasser an. Manche Tiere trinken lieber aus bewegten Quellen – ein Trinkbrunnen kann hier helfen. Auch wasserreiches Nassfutter trägt zur Flüssigkeitsaufnahme bei und ist gerade vor Reisen dem Trockenfutter vorzuziehen.
Während der Fahrt sollte bei längeren Strecken alle zwei bis drei Stunden eine Trinkpause eingeplant werden. Verwenden Sie vertrautes Wasser von zu Hause, da manche Katzen fremdes Wasser ablehnen. Diese kleine Vorsichtsmaßnahme kann einen großen Unterschied machen und verhindert, dass Ihre Katze dehydriert.
Was während der Reise in die Box gehört
Futter hat in der Transportbox während der Fahrt nichts zu suchen – zu groß ist die Gefahr von Übelkeit und Erbrechen. Anders verhält es sich bei sehr langen Reisen über mehrere Stunden. Hier können kleine, trockene Leckerlis helfen, die zudem eine positive Verknüpfung mit der Transportbox schaffen. Gefriergetrocknete Fleischstückchen, Trockenfleisch vom Huhn in kleinen Mengen oder kleine Happen des gewohnten Trockenfutters sind geeignet. Diese sollten aber wirklich nur in minimalen Mengen und bei Bedarf gegeben werden.

Die langfristige Strategie: Training beginnt beim Futternapf
Die wirksamste Methode gegen Reisestress ist die positive Konditionierung. Die Vetmeduni Vienna Studie Transporttraining hat nachgewiesen, dass gezieltes Training Stress beim Tierarztbesuch signifikant reduziert. Füttern Sie Ihre Katze regelmäßig in oder neben der Transportbox, zunächst ohne diese zu schließen. Legen Sie besondere Leckerlis hinein, die es nur dort gibt. So verknüpft das Tier die Box mit positiven Erlebnissen und nicht ausschließlich mit der gefürchteten Autofahrt.
Beginnen Sie damit, die Transportbox offen im Wohnbereich stehen zu lassen. Legen Sie eine weiche Decke hinein und platzieren Sie gelegentlich Leckerlis darin. Füttern Sie die nächsten Mahlzeiten zunächst neben der Box, dann immer näher heran, bis Sie den Napf schließlich direkt in die Box stellen können. Schließen Sie die Tür erst nach vielen erfolgreichen Fütterungen, und auch dann nur für Sekunden.
Steigern Sie die Dauer langsam und belohnen Sie jedes ruhige Verhalten. Erst wenn Ihre Katze entspannt in der geschlossenen Box frisst, können Sie mit kurzen Transportübungen beginnen – zunächst nur durchs Zimmer tragen, später kurze Fahrten ums Haus. Diese Desensibilisierung braucht Zeit, idealerweise mehrere Wochen, zahlt sich aber enorm aus. Eine entspannte Katze frisst auch während oder nach einer Reise wieder normal, was ein wichtiger Gesundheitsindikator ist.
Nach der Reise: Wieder in die Balance finden
Nach der Ankunft sollten Sie Ihrer Katze Zeit geben, sich zu beruhigen, bevor Sie Futter anbieten. Zwingen Sie nichts auf, sondern stellen Sie eine kleine Portion des gewohnten Futters bereit. Viele Katzen brauchen einige Stunden, bis sie wieder fressen mögen. Das ist normal und kein Grund zur Sorge, solange es nicht länger als 24 Stunden dauert.
Geben Sie Ihrer Katze die Möglichkeit, sich in ihrem eigenen Tempo an die neue oder vertraute Umgebung anzupassen. Stellen Sie Wasser, Futter und Katzenklo bereit und lassen Sie das Tier selbst entscheiden, wann es bereit ist zu fressen. Manche Katzen brauchen sogar einen ganzen Tag, um wieder zu ihrer gewohnten Routine zurückzufinden.
Realistische Erwartungen und tierärztliche Begleitung
Reisestress bei Katzen ist real und belastend – für Tier und Halter gleichermaßen. Die wissenschaftlich am besten belegte Methode zur Stressreduktion ist das geduldige Transporttraining mit positiver Konditionierung. Ernährungsanpassungen wie leichte Kost und reduzierte Futtermengen vor der Reise können ergänzend helfen.
Wenn Ihre Katze trotz aller Vorbereitung extrem gestresst reagiert, stark erbricht oder nach der Reise länger als 24 Stunden nicht frisst, sollten Sie tierärztlichen Rat einholen. In manchen Fällen können medizinische Unterstützung oder spezielle Präparate sinnvoll sein, die jedoch immer individuell vom Tierarzt verordnet werden sollten. Unsere Samtpfoten verdienen es, dass wir ihre Bedürfnisse ernst nehmen und ihnen helfen, auch schwierige Situationen mit möglichst wenig Angst zu meistern. Mit Geduld, konsequentem Training und einer durchdachten Fütterungsstrategie lässt sich vieles verbessern.
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